Kapitel 9 Hochschulen: Fortschritt und Innovation für das 21. Jahrhundert
9. Hochschulen: Fortschritt und Innovation für das 21. Jahrhundert
Wir wollen die bildungsbedingten Barrieren einreißen Alle vorliegenden Prognosen gehen von einem Anstieg der Studierendenzahlen bis zum Jahr 2020 aus. Allein in den nächsten 5 Jahren wird sich die Studierendenzahl von 2 Millionen auf 2,5 Millionen erhöhen und dann auf hohem Niveau verharren. Grundlage der Prognose ist der jetzige Anteil eines Altersjahrganges, der ein Studium beginnt. Er beträgt aktuell 35%. Deutschland ist allerdings Schlusslicht im internationalen OECD-Vergleich. Wir müssen deshalb unsere Bildungsbeteiligung erhöhen, um international mithalten zu können.
Die Zugangsmöglichkeiten zu unseren Hochschulen müssen durch eine Verbesserung der Bildungsbeteiligung für mehr Menschen aus allen Kreisen der Bevölkerung erweitert werden. Hierfür setzt sich die SPD mit ihren bildungspolitischen Reformvorschlägen von der frühkindlichen Erziehung bis zur Sekundarstufe II ein.
Es dürfen durch Studiengebühren keine neuen Barrieren vor den Toren der Hochschulen errichtet werden. Sie zementieren die bisherigen Bildungsprivilegien, die in einer Wissensgesellschaft mehr denn je über Teilhabe- und Lebenschancen entscheiden. Wir sprechen uns eindeutig gegen Studiengebühren für das Erststudium (Bachelor und Master) aus und werden alle Möglichkeiten ausschöpfen, nach dem Regierungswechsel 2008 die Studiengebühren sofort wieder abzuschaffen.
Es geht aber auch um die Öffnung der Hochschule für beruflich Qualifizierte. Nur wenn es uns gelingt, die Bildungsinstitutionen durchlässig zu gestalten, erhalten die Sonntagsreden vom lebenslangen Lernen Substanz. Die Modularisierung der Studiengänge bietet dafür gute Voraussetzungen.
Wir wollen mehr Eigenverantwortung der Hochschulen - auch als Demokratiegewinn Wir wollen den Hochschulen Freiheiten zur Gestaltung ihrer inneren Organisation und Profilbildung in Lehre und Forschung geben. Die Stärkung der Hochschulautonomie entlässt den Staat aber nicht aus seiner Verantwortung für die Hochschulen. Das betrifft nicht nur deren öffentliche Finanzierung, sondern auch die Gestaltung der Mitbestimmung an Hochschulen. Die SPD bekennt sich zur Gruppenuniversität, die sich bewährt hat und erhalten bleiben muss.
Zu den guten demokratischen Traditionen unserer Hochschulen gehört auch die Verfasste Studierendenschaft (VS) als Element demokratischer Selbstverwaltung, einschließlich des politischen Mandats, sie muss in voller Gänze erhalten bleiben und maximal ausgebaut werden. Wir bekennen uns klar zum allgemeinpolitischen Mandat für die VS. Leitlinie weiterer Reformen ist die Erweiterung der äußeren Autonomie der Hochschulen nach innen zu verlängern. Beteiligungs- und Entscheidungsrechte aller Hochschulangehörigen müssen gestärkt werden. Autonomie ist für Sozialdemokraten kein Selbstzweck, sie verbindet sich mit Demokratiegewinn nach innen. Das sozialdemokratische Autonomiekonzept unterscheidet sich damit vom Autonomiebegriff, der nur auf die Abwesenheit von staatlicher Einflussnahme abzielt.
Wir wollen den Emanzipationsanspruch von Wissenschaft fortentwickeln Hochschulen dienen nicht nur der Produktion von Wissen und zum Decken der Arbeitsmarktnachfrage. Sie sind Orte der Orientierung und erfüllen einen Bildungsauftrag. Das der ersten Bildungsreform zu Grunde liegende Leitziel, die Erziehung eines kritischen, urteilsfähigen Bürgers, der im Stande ist, durch einen permanenten Lernprozess die Bedingungen seiner sozialen Existenz zu erkennen und sich ihnen entsprechend zu verhalten (Willy Brandt, 1969) hat für uns bis heute an Bedeutung nicht verloren. Nicht nur ökonomisches Gewinnstreben, sondern auch wissenschaftliche Erkenntnis und Bildung sind Zweck von Hochschulen. Wir werden deshalb den emanzipatorischen Anspruch von Bildung und Wissenschaft gegen einseitige wirtschaftliche Partialinteressen verteidigen. Der Anspruch muss begriffen werden als Befähigung zur gesellschaftlichen Mitwirkung und Veränderung.
9.1 Herausforderungen für den Hochschul- und Wissenschaftsstandort Niedersachsen unsere Antworten
In Wissenschaft investieren, den Ausbau von Hochschulen vorantreiben Investitionen in die Wissenschaft kommen nicht nur den Hochschulen zugute, sondern dem ganzen Land. An den Hochschulen werden die dringend benötigten hoch qualifizierten Arbeitskräfte von morgen ausgebildet. Hochschulen legen die Grundlagen für neue Verfahren und Produkte und sorgen für einen schnellen Transfer neuen Wissens in die Wirtschaft, sie vermitteln uns neue Erkenntnisse, sie können uns Hilfestellungen geben, die gesellschaftlichen Fortschritt ermöglichen und sie sind Zentren der internationalen Verständigung. Wir wollen in Niedersachsen die Potenziale unserer Hochschulen nutzen, die Qualifikationsstruktur der Beschäftigten verbessern und mehr junge Menschen als bisher motivieren, ein Studium zu beginnen. Voraussetzung dafür ist der Stopp der beispiellosen Vernichtung von Studienplätzen durch die CDU-Landesregierung und der Ausbau der Hochschulen. Die Finanzverantwortung des Staates für die Hochschulen soll so realisiert werden, dass für die Hochschulen kalkulierbare Anreize zum Ausbau attraktiver Studienplätze und qualitativ hochwertiger Lehre entstehen.
Fachhochschulen als Motoren regionaler Strukturpolitik fördern Die Geschichte der Fachhochschulen in Niedersachsen ist seit ihrer Gründung Anfang der 70er Jahre eine Erfolgsgeschichte. Mit der Umsetzung des ersten Fachhochschulentwicklungsprogramms (FEP) sind von 1991 bis 1998 durch die SPD-Landesregierung 6.650 zusätzliche Studienplätze geschaffen und Standorte ausgebaut worden. Unsere Fachhochschulen bieten den Studierenden eine praxisbezogene Ausbildung und sind gleichzeitig Motor für Wachstum und Beschäftigung in den Regionen. Als wichtige und anerkannte Partner für die Wirtschaft unterstützen sie vor allem klein- und mittelständische Unternehmen, die über keine eigenen Forschungskapazitäten verfügen und nur mit Hilfe eines wissenschaftlichen Kooperationspartners Innovationen entwickeln können. Damit die Fachhochschulen auch in Zukunft ihre wichtige Rolle als Impulsgeber für die wirtschaftliche Entwicklung in den Regionen ausüben können, muss das regional ausgewogene Angebot erhalten und ausgebaut werden.
Die Studienfinanzierung reformieren Zu einer guten Ausbildung der Studierenden gehört auch eine ausreichende Studienfinanzierung. Diesem Anspruch wird das BAföG nur noch unzureichend gerecht. Deshalb setzen wir uns für eine grundlegende Reform der Ausbildungsförderung ein, in dem es eine vom Einkommen der Eltern unabhängige Grundfinanzierung gibt und einer dann vom eigenen Einkommen abhängigen Aufbauförderung. Die staatliche Ausbildungsförderung dient der Sicherung des Lebensunterhalts des Studierenden, nicht der Finanzierung von Studiengebühren.
Autonomie der Hochschulen stärken Unsere Hochschulen brauchen mehr Autonomie, um eigene Profile in Lehre und Forschung herauszubilden und sich besser im nationalen und internationalen Wettbewerb zu behaupten. Wir werden an dem Reformgesetz der letzten SPD-Landesregierung anknüpfen und den Weg zu mehr Hochschulautonomie fortentwickeln. Wir werden die Gruppenuniversität stärken. Zur Sicherung größerer Gestaltungsspielräume für Hochschulen gehört auch die Modernisierung des Dienst- und Besoldungsrechts. Wir wollen an der 2002 begonnenen Reform anknüpfen und Professuren grundsätzlich nur noch im Angestelltenverhältnis führen. Darüber hinaus soll die Juniorprofessur als erfolgreicher Weg der Nachwuchsförderung gestärkt werden. Ein weiterer Reformschritt ist der Abschluss eines Wissenschaftstarifvertrages, der auch die studentischen Hilfskräfte einschließen soll.
Zugang zu Hochschulen auch für Berufstätige Sowohl im Interesse der Gewährung von Bildungschancen, als auch im Interesse von Wirtschaft dürfen keine Bildungssackgassen für Absolventen der dualen oder schulischen Berufsausbildung entstehen. Wir wollen deshalb die Durchlässigkeit zwischen Berufsausbildung und beruflicher Fort- und Weiterbildung an Hochschulen stärken. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der Hochschulzugang für qualifizierte Berufstätige weiter geöffnet und im Beruf erworbene Kompetenzen durch die Entwicklung von Leistungspunktsystemen für das Studium angerechnet werden.
Bildungsprovinzialismus überwinden Grenzen überschreiten Das Schicksal der Exzellenzinitiative zeigt ebenso wie die Studiengebührengesetze einiger CDU-Länder, dass der Föderalismus eher Hemmschuh als Ansporn für die Entwicklung der Hochschulen ist. Nimmt man die Entwicklung des europäischen Hochschulraumes ernst und will die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Hochschulen verbessern, so ist mehr Bundeskompetenz das Gebot der Stunde. Für niedersächsische Hochschulen bedeutet der Übergang der Finanzierung des Hochschulbaus in die alleinige Zuständigkeit der Länder eine Schwächung. Der Wissenschaftsstandort Niedersachsen wird insgesamt geschwächt. Bildungspolitischem Provinzialismus wird Tür und Tor geöffnet, notwendige Reformen werden nicht auf den Weg gebracht. Deshalb lehnen wir Kleinstaaterei in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik ab und werden uns für mehr Bundes- und Europakompetenzen in der Wissenschafts- und Forschungspolitik einsetzen.
In die Zukunft investieren Zur Bewältigung der Herausforderungen werden wir im Haushalt konsequent umsteuern: weg von Vergangenheitssubventionen hin zu Zukunftsinvestitionen. Die SPD hat mit der Streichung der Eigenheimzulage zu Gunsten der Bildung ein richtiges Signal gesetzt. Das wird aber nicht ausreichen, weitere Anstrengungen sind notwendig. Für uns ist eine zusätzliche Besteuerung hoher Einkommen und Vermögen zu Gunsten von Bildung, Wissenschaft und Forschung daher eine notwendige Maßnahme, um für den Weg in eine Wissensgesellschaft gewappnet zu sein.