Kommunalwahlsystem
Grundzüge des niedersächsischen Kommunalwahlsystems
In Niedersachsen werden alle fünf Jahre die Mandatsträger für mehr als zweitausend Kommunalvertretungen (Regionsversammlung, Kreistage, Stadträte, Gemeinderäte, Samtgemeinderäte, Stadtbezirksräte und Ortsräte) gewählt. In kreisfreien Städten ist nur der Rat der Stadt zu wählen. In Hannover und Braunschweig wird zusätzlich die Zusammensetzung von Stadtbezirksräten bestimmt. In zahlreichen Kommunen sind die Wählerinnen und Wähler gleichzeitig dazu aufgerufen, hauptamtliche Landrätinnen und Landräte, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie in der Region Hannover eine Regionspräsidentin oder einen Regionspräsidenten direkt zu wählen.
In den kreisangehörigen Gemeinden wird im Höchstfall zur Stimmabgabe bei fünf verschiedenen Wahlen aufgerufen:
- In Mitgliedsgemeinden von Samtgemeinden für die Kreiswahl, die Samtgemeinderatswahl, die Gemeinderatswahl, sowie die Bürgermeisterin-/Bürgermeister- und Landrätin-/Landratswahl;
- In den Einheitsgemeinden für die Kreiswahl, die Gemeinderatswahl, sowie die Bürgermeisterin-/Bürgermeister- und Landrätin-/Landratswahl und ggf. die Ortsratswahl.
Direktwahlen
Für die Wahl als Bürgermeisterin/Bürgermeister oder Landrätin/Landrat ist wählbar, wer am Wahltage
- das 23., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet hat,
- seit mindestens einem Jahr Deutscher ist oder seit mindestens einem Jahr die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzt,
- nicht aufgrund einer zivil- oder strafrechtlichen Gerichtsentscheidung von der Wählbarkeit ausgeschlossen ist und die Gewähr dafür bietet, dass sie/er jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt.
Hier verlangen die Wählbarkeitsvoraussetzungen nicht, dass die Bewerberin/der Bewerber ihren/seinen Wohnsitz in dem Wahlgebiet hat, in dem sie oder er kandidiert.
Wer kann Wahlvorschläge aufstellen?
Wahlvorschläge können von politischen Parteien, Gruppen von Wahlberechtigten (Wählergruppen) und von Einzelpersonen eingereicht werden. Hinsichtlich der Zielsetzung der Wählergruppen, ihrer organisatorischen Form, ihrer Größe usw. enthalten die wahlrechtlichen Bestimmungen keine Anforderungen. Auch lose Zusammenschlüsse von Wahlberechtigten können daher als Wählergruppen auftreten und Wahlvorschläge für die Kommunalwahlen einreichen.
Wie kommt man auf einen Wahlvorschlag?
Wer die Wählbarkeitsvoraussetzungen erfüllt, kann
- sich als Kandidatin/Kandidat auf der Liste (= Wahlvorschlag) einer politischen Partei aufstellen lassen, wenn sie/er der Partei als Mitglied angehört oder parteilos ist,
- mit anderen Bürgerinnen und Bürgern, die gleiche oder ähnliche Interessen verfolgen eine Wählergruppe bilden und mit diesen Bürgerinnen und Bürgern eine gemeinsame Liste aufstellen, oder
- als Einzelbewerberin/Einzelbewerber zur Wahl antreten.
Die Bestimmung der Kandidatinnen/Kandidaten und ihre Reihenfolge auf dem Wahlvorschlag einer politischen Partei oder mitgliedschaftlich organisierten Wählergruppe (= parteiähnliche Struktur mit Statut und Programm) muss in geheimer Abstimmung von der jeweiligen Mitglieder- oder Delegiertenversammlung der Partei oder Wählergruppe erfolgen.
An der geheimen Abstimmung dürfen nur wahlberechtigte Deutsche und Unionsbürger teilnehmen, die Mitglieder der Partei oder mitgliedschaftlich organisierten Wählergruppe sind. Die geheime Abstimmung ist nur gültig, wenn an ihr mindestens drei wahlberechtigte Personen teilgenommen haben.
Für die Gründung einer Wählergruppe reichen im Regelfall drei wahlberechtigte Personen aus. Die Aufstellung der Kandidatinnen/Kandidaten auf dem Wahlvorschlag einer nicht mitgliedschaftlich organisierten Wählergruppe muss in einer Versammlung der wahlberechtigten Anhänger der Wählergruppe erfolgen. Für die Einberufung einer solchen Versammlung sind keine besonderen Förmlichkeiten zu beachten. Alle wahlberechtigten Anhänger der Wählergruppe müssen jedoch die Gelegenheit erhalten, an der Versammlung teilnehmen zu können. Auch hier gilt, dass die Bestimmung der Kandidatinnen/Kandidaten auf dem Wahlvorschlag in geheimer Abstimmung erfolgen muss. Wer als Einzelbewerberin/Einzelbewerber zur Wahl antreten will, kann sich selbst vorschlagen.
Parteien, Wählergruppen und Einzelbewerberinnen/Einzelbewerber können ihre Wahlvorschläge nur dann einreichen, wenn diese von einer bestimmten Anzahl von Wahlberechtigten des jeweiligen Wahlbereichs (Erläuterung im Abschnitt "Wie wird gewählt" auf dieser Seite) durch eine Unterschrift auf einem amtlichen Formular unterstützt werden. Nur wer bereits in der Vertretung des Wahlgebiets (z.B. Gemeinderat) oder im Deutschen Bundestag oder Niedersächsischen Landtag vertreten ist, wird von dieser Verpflichtung befreit. Die amtlichen Formulare für die Unterstützungsunterschriften werden von den für das jeweilige Wahlgebiet zuständigen Wahlleitern ausgegeben. Dort können auch weitere Informationen, z.B. über die Anzahl der beizubringenden Unterstützungsunterschriften, eingeholt werden.
Für die Kandidatur auf einem Wahlvorschlag für die Wahl einer/eines (hauptamtlichen) Bürgermeisterin/Bürgermeisters oder Landrätin/Landrats gelten die vorstehenden Regelungen entsprechend.
Wie wird gewählt?
Die Wählerinnen und Wähler erhalten je einen Stimmzettel für jede Wahl, an der sie teilnehmen (z.B. einen für die Wahl des Kreistags und einen für die Wahl des Rates ihrer Gemeinde, ggf. auch jeweils einen Stimmzettel für die Wahl einer Landrätin/eines Landrats oder einer Bürgermeisterin/eines Bürgermeisters).
Für die Wahl der Vertretungen (z.B. Kreistag, Rat der Gemeinde) gilt ein Dreistimmenwahlrecht mit der Möglichkeit des Kumulierens und des Panaschierens. Wählerinnen und Wähler können, anders als bei Bundestags- und Landtagswahlen, auf jedem Stimmzettel drei Kreuze machen. Sie können alle drei Stimmen einem Wahlvorschlag in seiner Gesamtheit (Gesamtliste) oder einer einzigen Bewerberin/einem einzigen Bewerber auf einem Wahlvorschlag geben (Kumulieren). Die Stimmen können aber auch auf mehrere Gesamtlisten und/oder mehrere Bewerberinnen/Bewerber desselben Wahlvorschlages oder verschiedener Wahlvorschläge verteilt werden (Panaschieren).
Das Wahlsystem setzt voraus, dass alle Bewerberinnen und Bewerber auf dem Stimmzettel aufgeführt sind. Da eine einzige Kandidatenliste für das gesamte Wahlgebiet (z.B. Gemeinde, Landkreis) eine zu große Zahl von Bewerberinnen und Bewerbern umfassen würde, erfolgt eine Aufteilung des Wahlgebietes in annähernd gleich große Wahlbereiche mit jeweils unterschiedlichen Kandidatenlisten.
Sofern die Wahl einer Bürgermeisterin/eines Bürgermeisters oder einer Landrätin/eines Landrats in einem Wahlgebiet erfolgt, wird sie nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl durchgeführt. Für jede dieser Direktwahlen haben die Wählerinnen und Wähler nur eine Stimme, die sie einer Bewerberin/einem Bewerber durch Ankreuzen auf dem Stimmzettel geben können.
Wie wird gezählt?
Kommunale Vertretungen
Die Mandate für die kommunalen Vertretungen werden nach den Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbundenen Verhältniswahl vergeben.
Für die Sitzverteilung findet das nach dem Engländer Thomas Hare und dem deutschen Mathematikprofessor Horst Niemeyer benannte Proportionalverfahren Anwendung. Hierbei wird das Stimmenverhältnis proportional auf das Sitzverhältnis übertragen. Dazu wird die Gesamtzahl der in der jeweiligen Vertretung zu vergebenden Sitze mit der für einen Wahlvorschlag abgegebenen Stimmenzahl multipliziert und durch die Gesamtzahl der aller abgegebenen Stimmen dividiert. Diese Berechnung ergibt Proportionalzahlen. Jeder Wahlvorschlagsträger erhält zunächst soviel Sitze, wie sich nach seiner Proportionalzahl für ihn ganze Sitze ergeben. Die danach noch zu vergebenden Sitze erhalten die Parteien oder Wählergruppen mit den höchsten Zahlenbruchteilen. Innerhalb der Wahlvorschläge von Parteien und Wählergruppen kommen die Bewerberinnen/Bewerber teilweise nach dem Grundsatz der Personenwahl (Reihenfolge nach der Zahl der persönlich erhaltenen Stimmen), teilweise nach dem Grundsatz der Listenwahl (Reihenfolge nach der Benennung im Wahlvorschlag) zum Zuge. Einen Mindeststimmenanteil für die Teilnahme am Verteilungsverfahren ("Sperrklausel") gibt es bei den Kommunalwahlen nicht.
Direktwahlen
Die Direktwahlen der Bürgermeisterinnen/Bürgermeister, Landrätinnen/Landräte werden nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl durchgeführt. Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen erhalten hat oder als Bewerberin/Bewerber des einzigen zugelassenen Wahlvorschlags von mindestens 25 vom Hundert der Wahlberechtigten gewählt worden ist und die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen erhalten hat. Haben sich mehrere Bewerberinnen/Bewerber der Wahl gestellt, aber niemand die erforderliche Stimmenzahl erhalten, so findet am zweiten Sonntag nach der Wahl eine Stichwahl zwischen den beiden Bewerberinnen/Bewerbern mit den höchsten Stimmenzahlen statt; bei Stimmengleichheit entscheidet das Los, wer an der Stichwahl teilnimmt.
Wo wird gewählt?
Für die Stimmabgabe werden Wahlbezirke gebildet. Kleinere Gemeinden (nicht mehr als 2 500 Einwohnerinnen und Einwohner) bilden einen Wahlbezirk, größere Gemeinden werden in mehrere Wahlbezirke eingeteilt. Die Gemeinden bestimmen die Anzahl der Wahlbezirke sowie einen Wahlraum für jeden Wahlbezirk.
Wer in ein Wählerverzeichnis eingetragen ist, erhält automatisch eine Wahlbenachrichtigung. Auf ihr ist angegeben, in welchem Wahlraum die Wählerin/der Wähler ihr/sein Wahlrecht ausüben kann. Wer aus einen wichtigen Grund (z.B. Urlaub, Krankheit) verhindert ist den Wahlraum aufzusuchen, oder ohne sein Verschulden nicht in das Wählerverzeichnis eingetragen ist, kann einen Wahlschein beantragen und von der Möglichkeit der Briefwahl Gebrauch machen.
Wer führt die Wahl durch?
Die Vorbereitung und Durchführung der Kommunalwahlen fallen in erster Linie in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinden, deren Wahlämter wesentliche organisatorische Einzelaufgaben zu erfüllen haben. Hierzu zählen zum Beispiel die
- Aufstellung und Führung der Wählerverzeichnisse,
- Benachrichtigung der Wahlberechtigten über ihr Wahlrecht,
- Ausgabe von Wahlscheinen und Briefwahlunterlagen,
- Bestimmung und Einrichtung der Wahlräume (Wahllokale),
- Berufung der Wahlvorstandsmitglieder und ihre Schulung,
- Beschaffung der Stimmzettel,
- Zusammenstellung der Wahlergebnisse aus den einzelnen Wahlbezirken,
- Aufbewahrung der Wahlunterlagen.
Wichtige Maßnahmen und Entscheidungen müssen jedoch nicht von den Verwaltungsbehörden , sondern von unabhängigen Wahlorganen getroffen werden. Dies sind die Wahlleiterinnen und Wahlleiter in den Landkreisen, Gemeinden und Samtgemeinden, die für jedes Wahlgebiet (z.B. Landkreis, Gemeinde) zu bildenden Wahlausschüsse sowie die für den Wahltag zu berufenden Wahlvorstände.
Aufgabe der Wahlausschüsse ist vor allem die Prüfung und Zulassung der eingereichten Wahlvorschläge und die Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses.
Die Wahlvorstände sind in den Wahllokalen der einzelnen Wahlbezirke für den ordnungsgemäßen Ablauf der Stimmabgabe und die Feststellung der Wahlergebnisse verantwortlich.
Die Mitglieder der Wahlausschüsse und Wahlvorstände werden aus den Wahlberechtigten des jeweiligen Wahlgebietes berufen; sie sind ehrenamtlich tätig. Zur Übernahme eines solchen Ehrenamtes ist jeder Wahlberechtigte verpflichtet. Im ganzen Land Niedersachsen werden für die Kommunalwahlen rund 75 000 ehrenamtlich tätige Personen benötigt.