Martin Schulz: Für mehr Respekt und gleiche Chancen in Deutschland
Der Markt am Alten Rathaus in Göttingen war bei strahlendem Sonnenschein bis auf den letzten Platz gefüllt. Man muss schon lange zurückdenken, um Kundgebungen mit 3.000 Menschen zu registrieren. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, die Spitzenkräfte Stephan Weil, Frauke Heiligenstadt und Boris Pistorius aus der Landesregierung und die Riege der Bundes- und Landtagskandidaten der SPD in Südniedersachsen mobilisierten schon lange nicht mehr so gut wie zur ersten Großkundgebung in Niedersachsen.
„Wir wollen den Unterschied deutlich machen zwischen Merkel und Schulz“, brachte Thomas Oppermann einleitend das große Ziel der SPD vor der Bundestagswahl am 24. September 2017 auf den Punkt. Gerechte Löhne, Hilfen für Menschen in besonderen Lebenslagen, eine Krankenversicherung für alle und ein Rentenkonzept mit einem fairen Ausgleich zwischen den Generationen – so fasste der Wahlkreisabgeordnete und Fraktionsvorsitzende im Bundestag die großen Themen zusammen. Marcus Seidel, erstmals Kandidat im Nachbarwahlkreis Northeim-Osterode-Goslar, forderte gleiche Bedingungen für die Menschen „in der Fläche“ wie in den Zentren, verwies auf die ärztliche Versorgung und den Internetausbau.
In der einleitenden Diskussionsrunde betonte die Landtagsabgeordnete Gabriele Andretta unter tosendem Beifall Toleranz und Respekt als Werte Göttingens: „Wir sind stolz auf eine bunte, vielfältige Stadt.“ Kräftigen Applaus bekam auch Erstwähler Julian Ehbrecht (18) für seine Aussage, er werde auf jeden Fall sein Kreuz bei der zukunftsorientierten SPD machen, „weil sie die jungen Menschen versteht“.
Aber was ist das alles gegen Martin Schulz? In kurzen präzisen Sätzen beschreibt er auf seiner nach Bremen und Trier dritten Station seiner Deutschland-Reise bestimmte Lebenslagen und den Weg der SPD für Verbesserungen. Er wendet sich gegen Leiharbeit, fordert mehr Unterstützung für Alleinerziehende, verweist auf die Bürgerversicherung und verspricht, dafür zu sorgen, unbefristete Arbeit mit Tariflohn wieder zum Normalfall zu machen, wenn genügend Menschen die SPD wählen. Schulz steht für gleichen Lohn für gleiche Arbeit für Männer und Frauen, für gebührenfreie Kitas, die Entlastung der Familien bei Steuern und Abgaben und Würde im Alter. Er kritisiert die Manager der Automobilindustrie: „Kurzfristige Profitinteressen und hohe Boni waren ihnen wichtiger als die langfristige Sicherung des Industriezweigs und dessen Arbeitsplätze.“
Unmissverständlich wendet sich Schulz gegen die „Ritter der Verunsicherung“, geißelt die Verunglimpfung ganze Bevölkerungsgruppen durch Trump, verteidigt vehement die Pressefreiheit und findet klare Worte zu Erdogan und die AfD. Die innere Sicherheit ist für Schulz und die SPD keine Frage der Ideologie, sondern ein Recht, das der Staat mit ausreichend Polizei und Justizpersonal zu verteidigen hat. Besonders überzeugend fällt sein Plädoyer für ein starkes, solidarisches Europa aus. „In einem Europa der Toleranz und des Respekts begegnen sich die Staaten auf Augenhöhe. Für die europäische Ideen habe ich seit meiner Jugend gekämpft.“
Schulz stellte sich geduldig den Foto- und Autogrammwünschen. Die Termine für die nächsten Auftritte sozialdemokratischer Bundesprominenz wie Sigmar Gabriel machten die Runde. Die Besucherinen und Besucher von „Schulz live“ fühlen sich im Aufwind. (gaf)