Diesen Text gibt es auch in Leichter Sprache. Klicke hier zum Lesen

Zu den aktuellen Diskussion zur Flüchtlingspolitik hat der SPD-Parteivorstand am 12. Juni eine Resolution verabschiedet.

Die SPD steht für eine Flüchtlingspolitik ein die von Humanität und Solidarität geprägt ist. Aus unserer eigenen Geschichte heraus und unseren Grundwerten folgend ist sie ein Eckpfeiler sozialdemokratischer Politik. Hieraus erwächst die stete Verantwortung, jenen Schutz und Zuflucht zu gewähren, die vor Krieg, Terror und Verfolgung aus ihrer Heim at fliehen müssen. Die Herausforderung ist enorm Aufgrund von Kriegen und bewaffneten Konflikten, aber auch weil der Klimawandel ganze n Regionen unbewohnbar macht und ihre Lebensfähigkeit nimmt, sind Millionen Menschen weltweit auf der Flucht die meisten von ihnen innerhalb ihrer Heimatländer oder in den Nachbarstaaten. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Lage noch einmal verschärft. So ist uns allen klar: Es braucht die Kraft einer solidarischen Mehrheit, um die Not und das Leid der Fliehenden zu lindern. Und klar ist auch: Europa ist stark genug, gemeinsam eine humanitäre Antwort zu geben. Es ist an uns, die politischen Mehrheiten dafür zu gewinnen.

Zuletzt allerdings hat eine Mehrheit der 27 EU Mitgliedsstaaten immer unzureichender auf die anhaltenden Herausforderungen reagiert. Zwar kommen einige Mitgliedstaaten unter ihnen auch Deutschland ihrer humanitären Verantwortung nach. Für die Bereitschaft der deutschen Zivilgesellschaft und die vieler engagierten Kommunen, die die Unterbringung, Versorgung und Integration Schutzsuchender unterstützen, sind wir außerordentlich dankbar. Einige Regierungen in der Europäischen Union weigerten sich bislang jedoch beharrlich einen solidarischen Beitrag zu leisten. Teils wird sogar nationalistische Stimmungsmache auf dem Rücken Schutzsuchender betrieben. Weil nicht alle Mitgliedstaaten gleichermaßen solidarisch an einem Strang ziehen, sind die Schultern einzelner Staaten zunehmend belastet. So resultieren aus EU weiter politischer Uneinigkeit seit Jahren lokale Gerechtigkeitskonflikte.

In den vergangenen Jahren wurde immer deutlicher, dass durch die alleinige Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten an den EU Außengrenzen für die Aufnahme von Geflüchteten die Lasten ungerecht verteilt sind. Insbesondere viele Anrainerstaaten des Mittelmeers litten jahrelang unter dem fehlenden europäischen Verteilmechanismus und haben daraus teilweise eine Politik der Abschottung und Abschreckung entwickelt, die aus humanitären Gesichtspunkten untragbar ist. Auch führen einige von ihnen seit geraumer Zeit kaum noch Registrierungen der ankommenden Schutzsuchenden durch und lassen die Menschen einfach ziehen. Illegale Pushbacks und die Unterbringung von Geflüchteten in Elendslagern wie Moria gehören zur traurigen Realität und sind für uns inakzeptabel.

Nach jahrelangem Streit haben sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union in der vergangenen Woche auf Eckpunkte für eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems geeinigt. Man hat sich politisch auf Grundzüge für Verordnungen verständigt, die das Asylverfahren und die Verteilung der Schutzsuchenden auf die Mitgliedstaaten neu regeln. Es ging dabei anders als bisher um unmittelbar geltendes Recht, das künftig wortgleich in allen Mitgliedstaaten der EU gelten soll.

Für die SPD gilt dabei unmissverständlich: Das individuelle Menschenrecht auf Asyl und das internationale Flüchtlingsrecht sind die unumstößliche Basis für jede Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Das ist für uns nicht verhandelbar. Sämtlichen Forderungen aus CDU/CSU das Grundrecht auf Asyl oder gar die Genfer Flüchtlingskonvention einzuschränken erteilen wir eine klare Absage. Wir wollen, dass ein System geschaffen wird, das nicht länger nur auf dem Papier existiert, sondern das den schutzsuchenden Menschen in der Praxis Hilfe leistet. Ein System, das von allen Mitgliedstaaten solidarisch getragen wird und das die humanitäre Lage an den EU-Grenzen effektiv verbessert.

Die nun durch unsere Bundesinnenministerin Nancy Faeser vorangebrachten Verabredungen markieren den unter veränderten politischen Mehrheiten möglichen Kompromiss auf europäischer Ebene und somit die beste noch realisierbare Alternative zum Status Quo. Als SPD sind wir weiterhin davon überzeugt, dass ein faires Asylverfahren mit hohen rechtsstaatlichen Standards auch in beschleunigten Grenzverfahren gewährleistet sein muss. Dieser Kompromiss wird aber nationale Spielräume einschränken, die noch viel zu oft zum Nachteil der Schutzsuchenden genutzt und teils auch bewusst als Mittel zur Abschreckung eingesetzt werden. Diese zynische Praxis ist mitursächlich für die oft unwürdige und prekäre Lage geflüchteter Menschen in einigen Mitgliedstaaten der EU. Auch weil damit künftig Schluss sein wird, waren die Verhandlungen hart und ist diese Verständigung im europäischen Kontext keine Selbstverständlichkeit. Zugleich garantiert dieser Weg ein Europa der offenen Grenzen innerhalb der Europäischen Union. Es ist zu begrüßen, dass die EU Mitgliedsstaaten sich auf einen verpflichtenden und solidarischen Verteilmechanismus verständigen konnten, der seine Wirksamkeit in der Praxis noch erweisen muss.

Wie bisher werden demnach die EU Einreisestaaten für die Registrierung der Schutzsuchenden zuständig sein. Künftig soll hier geprüft werden, ob ein Asylverfahren grundsätzlich Aussicht auf Erfolg hat. Wenn eine Anerkennung statistisch betrachtet mit gewisser Wahrscheinlichkeit erfolgen wird, wird ein Asylverfahren nach bisherigem Standard durchgeführt, ggf. nach der Weiterreise in einen anderen Mitgliedsstaat Dieses Verfahren soll ausnahmslos für alle allein einreisenden Minderjährigen gelten. Die SPD drängt in den weiteren Verhandlungen auf eine generelle Anwendung dieses Verfahrens für weitere Gruppen, insbesondere alle Familien mit Kindern. Für Schutzsuchende, deren Anerkennungswahrscheinlichkeit nicht ad hoc erkennbar ist, soll ein beschleunigtes Asylverfahren noch im Einreisestaat erfolgen. Unsere Position für die exakte rechtliche Ausgestaltung in den kommenden Wochen und Monaten ist glasklar: Das individuelle Recht auf Asyl gilt auch in dieser Konstellation uneingeschränkt. Es nicht angetastet werden. Wir begrüßen, dass auf Betreiben unser Bundesinnenministerin Nancy Faeser vereinbart wurde, dass auch in diesem sogenannten Grenzverfahren die Betreffenden über die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Rechtsbeistands zwingend zu informieren sind. Auch hat sie durchgesetzt, dass der Zugang zu unabhängiger Rechtsberatung sichergestellt sein muss.

Für die Unterstützung eines jeden Kompromisses durch die SPD ist entscheidend, dass der Aufenthalt während dieses Grenzverfahrens allen rechtsstaatlichen und humanitären Standards genügen muss. Geschlossene Lager und haftähnliche Bedingungen lehnen wir ab. Das neue Verfahren muss die Lage für die Menschen in den Einrichtungen in den Außengrenzstaaten effektiv verbessern. Das ist der Maßstab für unsere Akzeptanz der neuen Praxis. Deshalb kommt es entscheidend auf die Einhaltung und Überwachung der neuen Regeln an. Wir fordern, dass die EU-Kommission zusammen mit den Mitgliedsstaaten und den EU-Agenturen verbindliche Pläne für die Umsetzung der Verfahren vorlegt. Auch muss deren rechtsstaatliche Umsetzung eng überwacht und im Rahmen eines öffentlichen Monitoring-Verfahrens permanent beobachtet und ggf. auch parlamentarisch kontrolliert werden.

Unabhängig davon halten wir erneut fest: Wir bekämpfen Fluchtursachen und kein Flüchtlinge Das Sterben im Mittelmeer muss aufhören. So ist die Seenotrettung eine Verpflichtung aus dem internationalen Seerecht und darf nicht kriminalisiert, sondern muss auch staatlich durch die EU gewährleistet werden. Es müssen sichere Fluchtrouten geschaffen werden, um das Sterben zu beenden. Zivile Seenotrettung, die diese Aufgabe und humanitäre Verantwortung übernimmt, Menschen aus Not zu retten, darf demnach auch nicht kriminalisiert werden und wird weiter von uns unterstützt. Zudem fordern wir bei der Gewährleistung des Außengrenzschutzes der EU die Einhaltung aller humanitären und rechtsstaatlichen Vorschriften. Seit Jahren steht hier die Grenzschutzagentur Frontex begründet in der Kritik. Wir stellen klar: Pushbacks sind eine eklatante Verletzung des Völkerrechts. Ein Tolerieren durch oder gar eine Beteiligung von Behörden der Mitgliedsstaaten oder von Frontex darf es nicht geben. Damit die EU-Außengrenzen rechtsstaatlich und sicher sind, braucht es weiterhin eine umfassende Prüfung der systematischen und strukturellen Probleme der größten EU-Agentur.

Für uns kommt es jetzt darauf an, dass wir in den anstehenden Verfahren des Europäischen Parlaments mit der EU-Kommission und dem Ministerrat (Trialog) rechtsstaatliche und humanitäre Standards bei der Umsetzung gewährleisten. Wenn die Europäische Union gemeinsam ein funktionierendes solidarisches und humanitäres Asylsystem schafft, dann gibt Europa eine starke Antwort auf eine der größten humanitären Herausforderungen unserer Zeit.

Derweil sorgen wir auch in Deutschland weiter dafür, dass wir ein modernes Einwanderungs- und Integrationsland sind. Asylverfahren in Deutschland wollen wir beschleunigen, unter höchsten rechtsstaatlichen Standards, mit hoher rechtlicher Beratung für die Betroffenen und bei Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Rechtsmittel. Dafür haben wir u.a. das Chancenaufenthaltsgesetz geschaffen, das vielen langjährig Geduldeten erstmals eine echte Aufenthaltsperspektive gibt. Auch mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz und der enthaltenen Beschäftigungs- und Ausbildungsduldung haben wir neue Wege beschritten. Und nicht zuletzt schaffen wir mit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts und der generellen Möglichkeit der Mehrstaatlichkeit einen lang überfälligen Paradigmenwechsel hin zu einer modernen Einwanderungsgesellschaft, die Vorbild für unsere europäische Staatengemeinschaft sein kann und sollte.


Wir machen soziale Politik für dich und mit dir.